eine Kooperation von fringe ensemble und Theater Kumbaracı50

Regie: Frank Heuel
Raum: Annika Ley
Mit: Gülhan Kadim, Laila Nielsen, Berfin Zenderlioglu

Uraufführung: 26. November 2016, Theater Kumbaraci50, Istanbul

Im Rahmen von “Andauernde Grenzüberschreitung – Ein Plädoyer für Künstler*innenresidenzen” – Veranstaltung des Arbeitskreises deutscher internationaler Residenzprogramme – zeigen wir am 24. September 2018 um 19 Uhr im HAU Hebbel am Ufer einen Ausschnitt aus LOST IN LANGUAGE / DILDE KAYBOLUS.

Frank Heuel verbrachte von 2016 bis 2018 im Rahmen eines Stipendiums der Kunststiftung NRW mit Unterbrechungen insgesamt zehn Monate in Istanbul. Anfang 2016 war die Situation für die Theaterschaffenden dort bereits nicht leicht. Sie verschärfte sich massiv mit dem Putschversuch im Juni 2016. Auf die freie Szene in Istanbul wird kontinuierlich Druck ausgeübt: Staatliche Subventionen werden massiv gekürzt oder entfallen ganz. Das Klima, das Frank Heuel jedoch in der Szene erleben konnte, war geprägt von einer großen Entschlossenheit weiterzumachen. Insgesamt erarbeitete er bis heute fünf Produktionen, eines davon ist „Lost in Language / Dilde Kayboluş“ in Zusammenarbeit mit dem Theater Kumbaraci50.

Das Stück basiert auf einem Interview, das Frank Heuel mit einer heute in Istanbul lebenden 32-jährigen kurdischen Künstlerin geführt hat.

Mit ihrer Familie lebte sie im Alter von sechs bis zwölf Jahren als Flüchtling in Deutschland und besuchte hier die Schule. Dann ging sie mit ihrer Familie zurück in die Türkei und pendelte dort zwischen Anatolien und Istanbul hin und her – bis zu ihrem 20. Lebensjahr.

Ihre Familie gehört den Aleviten an, sie ist in Deutschland protestantisch getauft, bezeichnet sich aber als Atheistin. Ihr Lebenslauf liest sich wie ein nomadisches Wandern zwischen Welten. Der Verlust der Sprache, die damit verbundene fundamentale Entwurzelung und die Notwendigkeit, immer wieder neu anzufangen, sind die prägenden Erfahrungen ihres jungen Lebens.

Frank Heuel lässt die Geschichte von drei Schauspielerinnen in ihrer jeweiligen Muttersprache erzählen: von einer Kurdin, einer Türkin und einer Deutschen.

Eine Produktion von fringe ensemble/Türkei GbR in Koproduktion mit Theater Kumbaracı50, Istanbul. Im Rahmen von 4Projekte Istanbul gefördert durch: Kunststiftung NRW und Goethe Institut Istanbul.

         

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Kritiken

„Istanbul Friends“-Festival im Pumpenhaus

„Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache“, wird der Gelehrte und Staatsmann Wilhelm von Humboldt gern zitiert. Wohl dem jedoch, der eine einzige Herkunftssprache sein eigen nennt. Sind es gleich drei, wird es kompliziert: Das Stück „Lost in Language“ entwirft die Biografie einer jungen, kurdischen Frau, die als Flüchtling in Niedersachsen Deutsch lernt. Mit ihrer alevitischen Familie, die sie protestantisch taufen lässt, kehrt sie in die Türkei zurück. Sie begegnet dem Publikum als dreifach aufgespaltener Charakter: Gülhan Kadim, Laila Nielsen und Berfin Zenderlioglu führen durch ein Leben zwischen den Stühlen, pendelnd zwischen Hoffnung, Anfeindungen und Selbstzweifel. Jede spricht den Text in in ihrer jeweiligen Muttersprache – Kurdisch, Deutsch, Türkisch. Unbeschwertes Kinderspiel oder Balance-Akte einer Turnübung illustrieren Stationen der Sozialisation. Drei Schriftrollen mit dem dramatischen Text knüpfen ein Band ringsum und durch das Auditorium. Sie träume auf Deutsch, sagt die dreiköpfige Protagonistin, nicht ohne Irritation. Eine Verwurzelung, Heimat aber bietet ihr erst die Kunst. Eine Muttersprache, die sich gleichwohl politischer und finanzieller Begehrlichkeiten erwehren muss.

Helmut Jasny, Münstersche Zeitung, 17.11.2017

 

Bewegte Biografie einer jungen Frau

Um Sprache geht es in "Lost in Language", das Frank Heuel mit den Schauspielerinnen Gülhan Kadim und Berfin Zenderlioglu vom Theater Kumbaraci50 und Laila Nielsen vom fringe ensemble inszeniert hat. Es ist die Geschichte einer 32-jährigen Frau, die als Kind mit ihrer Familie nach Hildesheim kam. Sie lernte Deutsch, wurde als kurdische Alevitin protestantisch getauft und fühlte sich weder als Christin noch als Muslimin. Nach mehreren Jahren wurde sie mit ihren Eltern und Geschwistern in die Türkei abgeschoben, sprach mit deutschem Akzent und fühlte sich überall fremd. Aus der väterlichen Heimatstadt Malataya in Ostanatolien zog sie fort ins weltoffene Istanbul, um Kunst zu studieren.

Präsentiert wird ihre bewegte Biografie auf Kurdisch, Türkisch und Deutsch. Das Publikum folgt den drei Frauen in den Theatersaal und darf nach einer Weile Platz nehmen um einen schmalen Steg, auf dem sie mutig balancieren bis hin zu sportlichen Rollen rückwärts. Per Video eingeblendet werden ihre Münder, die gegen Ende nur noch stumm die Frage nach der eigenen Muttersprache artikulieren. Handfest begreiflich wird das durch in den drei Sprachen beschriftete Bänder, mit denen sie die Zuschauer in ihrer buchstäblich fesselnden 50-minütigen Performance umgeben. Nicht "Lost in Translation", denn die Texte sind ja scheinbar bloß direkte Übersetzungen. Wohl aber "Lost in Language", denn das in unterschiedlichen Sprachen Gesagte zeigt die Leerstellen einer verwirrten Identität in kulturellen Zwischenräumen.

Elisabeth Einecke-Klövekorn, General-Anzeiger Bonn, 11. November 2017