deutschlandfunkkultur, 14. Dezember 2019
„Gold“-Projekt vom Bonner fringe ensemble
Die Entmystifizierung eines Rohstoffs
von Dorothea Marcus
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- Das Stück „Lieber Gold im Mund als Porzellan im Schrank“ des Bonner Fringe-Ensembles zeigt, welche Mythen sich in Westeuropa um den Rohstoff drehen. (Thilo Beu)
Gold gilt in der westlichen Welt als Statussymbol. In Ländern wie Burkina Faso, die den Rohstoff liefern, wirkt es dagegen oft zerstörerisch. Diese Kluft macht das aktuelle Stück aus dem „Gold“-Projekt des Bonner Fringe-Ensembles schmerzhaft deutlich.
Auf der Probebühne in Bonn-Beuel sind aufgebaut: Ein Glitzervorhang. Ein vergoldeter Einkaufswagen. Tische mit glänzenden Schutzfolien, die von einer Performerin liebevoll zu Goldkonfetti zerkleinert werden. In einer alchemistischen Werkstatt wird der Reinheitsgehalt des Rohstoffs gemessen, auf den der saturierte Westeuropäer heute immer noch verlässlich baut.
„Der Wahnsinn ist ja: Es wird aus der dunklen Erde geholt irgendwo und dann wieder in den Safes verschlossen. Es landet wieder in der Dunkelheit“, sagt Regisseur Frank Heuel.
„Also, ich persönlich mag Gold ja auch so gar nicht, bin eher so der Silbertyp. Dieses ganze gehäufte geschenkte Gold, was man da zur Hochzeit kriegt… Ich wart ab, bis ich's meinen Enkelkindern geben kann…“
Mit der lässigen Gedankenlosigkeit der sorglosen Mittelstandsstudentin spricht Schauspielerin Julia Philippi eins der Interviews nach, die das Fringe-Ensemble für den zweiten Teil ihres „Gold“-Projekts in der Bonner Fußgängerzone führten. Den meisten war nicht bewusst, unter welchen verbrecherischen Umständen das mythisierte Metall in Westafrika aus dem Boden geholt wird. Was bedeutet es hier, was im globalen Süden?
„Beides Mal ist eine Verheißung von Glück damit verbunden. Aber in Burkina ist es ganz konkret auf die konkrete Lebenssituation bezogen: ‚Ich habe Gold gefunden, ich kann meine Familie ernähren. Und ich kann mir ein Moped leisten, Smartphone kaufen, aber nicht mehr.‘ Das Geld ist sofort weg, von der Hand in den Mund. Hier bei uns wird es angereichert. Bei uns verheißt es Sicherheit, vermeintlich. Völlige Gegensätze“, sagt Frank Heuel.
Zwei Seiten einer Medaille
Mit dem „Gold“-Projekt will das Fringe-Ensemble zwei Seiten einer Medaille zeigen. Während im ersten Teil mit Künstlern aus Burkina Faso ein fataler Kreislauf aus Raubbau, Kinderarbeit, Vergiftung und Steuerhinterziehung erzählt wurde, geht es in „Lieber Gold im Mund als Porzellan im Schrank“ eher um deutsche Anlagemöglichkeiten, Rheingold-Sucher, Juweliere, Goldsammler und -träger.
Und es geht darum, woher der Mythos Gold eigentlich kommt, dem bereits Christoph Kolumbus erlag. Mit verteilten Texten erzählen die fünf Performer in schwarzen Banker-Anzügen, mit goldenen Schuhen und Einstecktüchern von rastlosen Raubzügen, die dem spanischen Hof nie gekannte Reichtürmer bescherten – und heute von Nachkommen vor Gericht reklamiert werden.
„Und während Kolumbus noch drei weitere Reisen ins vermeintliche Indien unternimmt und doch nie die Quellen des Goldes findet und ein verarmtes Lebensende fristen muss, so öffnet er doch Tür und Tor für die Ausbeutung des südamerikanischen Kontinents!“, heißt es im Stück.
Doch das Gold von damals ist längst eingeschmolzen, eingegangen in Eheringe, in Smartphones und Kirchenvergoldungen. Und so lassen sich die zwei Perspektiven auf das Gold als Aufklärungsparabel der Unterschiede zwischen sogenannter Erster und Dritter Welt lesen.
„Das hat richtig in der Sonne geglitzert“
Auf den Punkt kommt das im Interview mit einem Bonner Entwicklungshelfer, der mit Dorfbewohnern in Burkina Faso einst einen Damm baute, um vor Erosion zu schützen und Bäume zu pflanzen.
Manuel Klein und Sören Wunderlich performen die zerknirschten Einsichten des wohlmeinenden Westlers bravourös zum Prince-Song „Gold“ – denn nicht alles, was sinnvoll glänzt, erweist sich im Nachhinein als goldrichtig.
„Dann sind die rumgelaufen und haben kleine Goldkrümel aufgesammelt wie Erdnüsse. Und das hat richtig in der Sonne geglitzert. Und die Alten sagten: ‚Du hast unser Leben komplett verändert.‘ Mein Bestreben war ein ganz anderes: Wiederaufforstung! Und die Gegend sah innerhalb von ein paar Wochen aus wie auf dem Mond… Für die Zukunft des Dorfes war das damals fatal.“
Ein Abend, der aufklären will, wie der geldgierige Mensch ein Opfer seines fatal schmalen Horizonts ist, auch wenn er am anderen Ende des kapitalistischen Kreislaufs steht. Schön, wie das Fringe-Ensemble beide Perspektiven aufzeigt und dennoch klarmacht: So etwas wie faires Gold gibt es nicht. Seine Herkunft ist nahezu unkontrollierbar, man kann es immer wieder bis zur Unkenntlichkeit einschmelzen.
Schuldig fühlen werden sich westliche Goldzahnträger vermutlich ebenso wenig wie jene mit ihren coltanhaltigen Handys. Im Mai wird das Fringe-Ensemble den Perspektivwechsel auch räumlich vollziehen – und das „Gold“-Projekt in Burkina Faso zeigen.
„Lieber Gold im Mund als Porzellan im Safe“ feiert am 19. Dezember an der Werkstattbühne am Theater Bonn Premiere, weitere Vorstellungen sind am 30. Dezember, 18. und 28. Januar – bevor es im Mai in Ouagadougou in Burkina Faso zur Aufführung kommt.
WDR 3, Kultur am Mittag, 18. Dezember 2019
Mythos Gold auf der Bühne
"Lieber Gold im Mund als Porzellan im Safe" heißt die neue Produktion des Bonner fringe ensemble, die am Freitag Premiere im Theater Bonn hat. Hans-Christoph Zimmermann hat die Proben besucht.
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WDR 5 Scala - Hintergrund Kultur. 19.Dezember 2019
Das Bonner fringe ensemble über die Liebe zum Gold
Von Nicole Strecker
Für die einen ein Segen, für andere eher ein Fluch - etwa für Goldminenarbeiter in Afrika. Das Bonner fringe ensemble hat ein Stück zu dem Thema entwickelt: "Lieber Gold im Mund als Porzellan im Safe". Nicole Strecker hat das Theaterensemble besucht.
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Es ist ein mächtig Ding, das Gold
Gold lässt sich nicht künstlich herstellen. Alchimisten haben es über Jahrhunderte versucht. Gold ist das Produkt einer Sternenkollision. Gold ist schwer, scheinbar unvergänglich, beliebt als Schmuck und Zahlungsmittel. Dem sagenhaften König Midas bekam seine Goldgier bekanntlich schlecht.
Zahllose Mythen und Märchen ranken sich um den glänzenden Stoff. In der Werkstatt des Bonner Schauspiel hat der Regisseur Frank Heuel sich mit sechs Schauspielern auf die Suche nach der Faszination des Goldes begeben. „Lieber Gold im Mund als Porzellan im Safe“ heißt die von der Kulturstiftung des Bundes im Rahmen des Projektes „Doppelpass“ geförderte Koproduktion des freien fringe ensemble mit dem städtischen Theater Bonn. Dritter Partner ist das Kulturzentrum „Espace Culturel Gambidi“ in Ouagadougou, der Hauptstadt der westafrikanischen Republik Burkina Faso.
Vor genau einem Jahr kam dort die Uraufführung des Stückes „Brillante Saleté – Glänzender Dreck“ mit afrikanischen und deutschen Künstlern heraus ( Ende Mai 2019 auch in der Bonner Werkstatt zu erleben; der GA berichtete – auch über das in diesem Kontext erschienene zweisprachige Buch), das die sozialen und ökologischen Verwüstungen des weltweiten Verlangens nach dem Edelmetall untersuchte. Dieser Aspekt erscheint deshalb in der neuen Produktion eher am Rand. Die Musik stan´mmt wieder von dem türkischen Sounddesigner Ömer Sarıgedik, die fabelhafte Ausstattung (Bühne, Kostüme, Video) wieder von Annika Ley. Wie sie aus vorproduziertem Bildmaterial, Live-Aufnahmen, Comic-Zeichnungen und viel goldenem Flitter (gern per Windmaschine in Bewegung gebracht) Theatermagie entwickelt, ist auch bei dieser witzig-ironischen, rund 90minütigen Revue für viele Überraschungen gut.
Heuel und sein Team haben sich aus der scher unendlichen Fülle von physischen und symbolischen Verwendungen des Edelmetalls einige Momente herausgesucht, verschiedene Menschen nach ihrer Beziehung zum Gold befragt und daraus kostbar verrückte Szenen entwickelt.
Sören Wunderlich entführt am Schreibtisch ins emblematische „Making-Of“ der sogenannten Entdeckung Amerikas und grüßt herzlich vom Bordbuch als „euer Chrissi“ aus „Eldorado“, wo Gold noch keine Dominanz im Wertesystem besaß. Kiloweise kam die heilig-unheilträchtige Substanz nach Spanien, wurde eingeschmolzen, landete auf gekrönten Häuptern und in Tresoren. Oleg Zhukov verfolgt die winzigen Spuren eines rituellen Halsschmucks aus Guanahani, dessen Herkunft noch in heutigen Objekten wissenschaftlich nachweisbar ist.
Andreas Meidinger hat einen grandiosen Auftritt als Kapital-Guru mit bizarren Empfehlungen zum Erhalt von Vermögensreserven. Gold und Geld haben nicht nur sprachlich gemeinsame Wurzeln. Weltschatzkammern wie Fort Knox werden immer noch massiv bewacht (kürzlich in Dresden wars halt nicht ganz so perfekt). Manuel Klein zitiert virtuos mit Gitarre und Stimme sogar den „Goldfinger“ aus dem berühmten James-Bond-Kinoepos. Die Filmmusik erhielt bekanntlich eine Goldene Schallplatte. Die junge Julia Philippi findet als Studentin Gold total altmodisch, taucht dann aber doch in schimmernder Folie verpuppt wieder auf. Richtig wütend tobt Laila Nielsen im goldenen Tüllrock gegen die Märchen-Zumutung, dauernd aus Stroh Gold zu spinnen. Rumpelstilzchen lässt grüßen. Dabei hat das Ganze nur was mit dem Feuer zu tun (Prometheus lässt grüßen), farbigen Lichtfrequenzen und deren physiologischen Folgen.
Zu feinem Blattgold geschlagen könnten ein paar Gramm Gold schon Götter, Bankpaläste oder Bonner Bausünden auf Hochglanz bringen. Es in Barren zu horten, ist pure Glanzverschwendung. Porzellan wird in der Inszenierung bei aller Kritik am Tanz ums Goldene Kalb nicht zerschlagen, nur schön bissig gekratzt am ewigen Goldrausch. Die Vorräte auf unserem Planeten sind sowieso bald erschöpft. Erleichterter Premierenbeifall für eine schillernde Vorstellung mit vielen bedenklichen Glitzermomenten.
General-Anzeiger Bonn, Elisabeth Einecke-Klövekorn, 21./22. Dezember 2019
Lauter Zukunftsängste
Dystopien sind Trend. Die Zukunftsangst regiert, auch im Wirtschaftssektor. Crash-Propheten haben gerade Hochkonjunktur im Buchhandel und Fernsehen. Bücher wie „Der größte Crash aller Zeiten“ von Marc Friedrich und Matthias Weik oder „Weltsystemcrash“ von Vermögensberater Max Otte sind unter den meistverkauften Sachbüchern in Deutschland. Ihre Argumente sind simpel, darunter zum Beispiel: Raus aus den Papierwerten, investieren in Sachwerte.
Mit dem Stück „Lieber Gold im Mund als Porzellan im Safe“ beschäftigt sich das fringe ensemble unter anderem mit diesem Phänomen. In Kooperation mit dem Theater Bonn feierte die neuste Produktion jetzt Premiere auf der Werkstattbühne, auch mit dem Ziel, die Kräfte von freien Ensembles in Zusammenarbeit mit städtischen Theatern zu stärken.
Gold, das Metall der Könige, fasziniert seit Jahrtausenden: Gold ist eines der ersten Metalle, welches je von Menschenhand verarbeitet wurde. Die ältesten belegbaren Funde zeigen, dass Gold bereits 4500 v. Chr. In Form von Goldschmuck und rituellen Gegenständen verwendet wurde. Es ist seit jeher fester Bestandteil von Märchen und Mythen. In der heutigen Wirtschaftsbranche gilt Gold als sicherer Hafen in der Krise. Es ist schwer, es glänzt, es ist rar – und alle wollen es haben. Aber warum eigentlich? So sagte beispielsweise Starinvestor Warren Buffett, dass er das Edelmetall für vollkommen nutzlos hält. Schließlich bräuchten Verhungernde in Krisen kein Gold, sondern Lebensmittel.
Das fringe ensemble inszeniert dieses Statement mit der Sage über König Midas. Alles, was er berührte, wurde zu reinem Gold. Hungrig und durstig setzte sich Midas an einen gedeckten Tisch. Doch kaum berührte er das Brot, wurde es zu Gold. Kaum nahm er einen Schluck aus einem Becher, hatte er flüssiges Gold im Mund. Julia Philippi verzweifelt in schillerndem Kostüm an dem Gold-Fluch, der sogar ihr Gesicht in das Edelmetall verwandelt und sie letztlich zu einer Puppe macht, die nichts anderes kann, als Gold zu versprühen.
In modernen Zeiten rät Andreas Meidinger in der „Gold-im-Mund“-Inszenierung hingegen als Untergangsprophet sehr wohl zur Goldanlage. Im Gegensatz zu Geld könne man Gold nicht ohne Ende drucken, es sei seit Jahrtausenden eine Krisenwährung. Wer sich also vor der Mutter aller Blasen schützen wolle, solle sie Ende Dezember noch investieren.
In der Videoinstallation von Annika Le sehen wir den Verschwörer in einem Keller, den er zur Aufbewahrung seiner Goldbarren nutzt. Er habe nach der Finanzkrise keine Lust, so wie alle anderen vor den Lebensmittelläden anzustehen und zu betteln. Gold könne man eintauschen.
In einer anderen Szene versuchen die Schauspieler die Faszination von Gold ironisch mit fehlenden Bauanteilen und damit der Erinnerung an Feuer zu erklären, das wesentlicher Bestandteil unserer Menschheitsgeschichte sei.
Die Ideen, die von Frank Heuel und der Dramaturgin Claudia Grönemeyer ausgehen, sind allesamt ein guter Indikator für unseren Umgang mit Zukunftsängsten und dem Wunsch, sich mit der glänzenden Haptik Sicherheiten zu schaffen, der Abstraktion des Geldes zu entkommen. In der Aufführung schweifen die Szenen allerdings oftmals aus, münden – und das kennt man so gar nicht vom fringe ensemble – gar in Overacting und berühren daher wenig. Auch die (dennoch brillanten) Videoinstallationen von Annika Ley machen nicht immer Sinn, treiben die Dramaturgie nicht an, sondern unterstützen hier nur das, was wir auch so begreifen würden. Aber schließlich ist das Stück viel fassbarer als zum Beispiel der Vorgänger „Rauschen“.
Bonner Rundschau, Barbara Franke, 21. Dezember 2019